TEXT in Kollaboration mit Manuel Klein
PERFORMANCE mit Danielle Pamp [2018 A KISS AWAY FROM REALITY, zentrale; Wien, AT]
HANNA Ganz tief drinnen sitzt er, der Schmerz. Die viel zu vielen Momente zwischen den Polen. Auf der Suche nach Liebe, stoße ich auf Ablehnung. Das Gefühl weder Fisch noch Fleisch zu sein. Die Erwartungshaltung Fleisch sein zu müssen. Die innere und kulturelle Ablehnung von Fisch. Als Paradiesvogel haben sie mich bezeichnet. Auch wenn alles in mir doch eigentlich nur taubengrau sein wollte. Gefangen zwischen den Polen.
Diese unglaubliche Traurigkeit. Das erinnert mich an ihre Großmutter, die wenn sie traurig war Ulla Billquist. Die, die sich umbrachte, vielleicht weil der Druck zu Groß war. Niemand hat offen darüber gesprochen. Da sie nicht existierten.
DANIELLE SINGT Ulla Bilquist - Det Är Den Stora, Stora Kärleken
HANNA Die Luft ist voll mit Hormonen. Man wird das Gefühl nicht los, als würden alle Muschis nur den passenden Schwanz andocken lassen wollen. Als suchten alle Schwänze nur ein warmes Loch, sodass die neu entwickelten Triebe endlich in lustvoller Vereinigung gestillt werden. Wann fing das alles an? Wir sangen Playback. Zu den Backstreet Boys. Seit ein paar Monaten schon trug ich nicht mehr diese langen blonden Locken. Das Mädchen, das sich in mich verliebte. Die Mutter, die es so laut sagte, fast schrie, nur um sicher zu gehen, dass alle es hörten.„Das ist kein Junge, das ist ein Mädchen. Und Mädchen verlieben sich nicht in Mädchen“. Die Unsicherheit, das Unwohlsein, das nicht verstehen, nicht begreifen können. Und das war erst der Anfang. Meine Hemden sind bunt, Parfum trage ich zu viel, meine Haare sind mir heilig. Erst gestern erzählte Sie mir von Zarah Leander. Sie ezählte mir von der Diva, den Mythen, der Liasion zu Ulla Bilquist?! Einer Frau die nicht zu ihrer Identität stand? Diese unglaubliche Traurigkeit.
DANIELLE SINGT Zarah Leander - Drei Sterne seh ich scheinen
HANNA Sie erzählte mir von ihrer Großmutter, sie hörte wenn sie traurig war
HANNA Und dann wieder die Kräfte. Eine unvorstellbare Angst das Haus zu verlassen. Jede Begegnung mit Altersähnlichen bedeutet Gefahr. Eine Jugend im Fluchtreflex. Trotz der währenden Angst, der Aufbau eines Panzers. Meine intellektuelle und sich abgrenzende Ablehnung nicht mit den Waffen der Anderen, den Testosteron-getriebenen, kämpfen zu wollen. Auch gar nicht zu können. Ein semipermeabler Panzer zu Beginn. Jeder Schuss ein Treffer. Ins Herz. Jeder Schuss verhärtet die Mimik, stärkt den Alltags-Überlebens-Drang, macht, dass es abprallt. Ein schillerndes Ich kommt ins Kellerverlies. Alles, was wir wollten, alles)was wir wollen, ist eine Toleranz gegenüber der Andersartigkeit. Alles, was wir bekommen, sind kleine Resorts: wie bei Koalitionsverhandlungen, als die schwächere Partei. Zum Kotzen diese Doppelmoral. Es wird Zeit, dass die Andersartigkeit und Vielfalt als Potential erkannt wird.
DANIELLE SINGT Franz Schubert - Trockne Blumen